Von Brighton ging es mit einem gemütlichen Schlag bei
Sonnenschein nach Portsmouth, wo wir spät abends ankommen. Der Hafenmeister
empfängt uns mit einem Wortschwall, voll erholt gerade von seinem fünfwöchigem
Lanzarote Urlaub zurück, erzählt er uns, dass er nächstes Jahr diese Gewässer
mit seinem Schiff verlassen und ins warme Spanien gehen möchte. Keine Gezeiten,
kein Regen, Sonnenschein – was für ein Leben, schwärmt er uns vor. Wir können
ihn schon verstehen, denn in den britischen Wetterberichten gibt es über fünf
Umschreibungen von „heute wird es noch regnen“ – von blumig bis plump, aber
unterm Strich immer dieselbe Aussage: Regen. Zwischendurch Sonnenschein. Der
Hafen bietet hier schon Einiges zu bestaunen, die Duschen und Toiletten sind in
einem alten Feuerschiff untergebracht, davor findet man die Medusa, das letzte noch
schwimmende Schiff, dass beim D Day am Omaha Beach im zweiten Weltkrieg dabei
war.
Tuuuut, tuuuut! Wir wachen etwas unsanft auf, plötzlich
ertönen rund um uns zahlreiche Nebelhörner. Was war da los? Wir brauchen kurz,
um uns daran zu erinnern, dass wir ja friedlich im Hafen liegen. Draußen nur
eine weiße Wand. Der Nebel lässt eine Sicht von maximal 10 Metern zu, aus allen
Richtungen hören wir Schiffe ihr Nebelsignal geben, während sie den Hafen und
die Straße davor passieren. Wir gehen durch die Nebelsuppe Richtung Feuerschiff
auf eine heiße Dusche und während wir danach wieder an Bord frühstücken,
verzieht sich der Nebel und die Sonne kommt durch. Perfekt für einen
Spaziergang auf der erhabenen Promenade! Ein traumhafter Blick über die
Einfahrt und hinüber zum Spinnaker Tower belohnen unsere morgendliche Weckzeit.
Tick tack, tick tack, die Gezeit ruft schon wieder und wir legen ab, lassen
Portsmouth hinter uns und segeln bei Leichtwind zum ersten Mal in kurzen Hosen
und mit leichtem Pullover vorbei an der Skyline von Portsmouth Richtung Isle of
Wight. Wunderschöne Burgen und Festungen zieren die Ufer, Leuchttürme die
Spitzen der Buchten.
Wir erreichen am Nachmittag Cowes, von dem Olaf seit seinem
Gezeitentrainig mit sea-man-ship im Februar schwärmt. Und er hatte Recht - das
ist ein toller Ort! Entzückende kleine Häuser, nette Menschen, tolle Pubs!
Cowes kann wirklich was. Wir schlendern durch das kleine Städtchen und stolpern
gemütlich von Seglershop zu Seglershop. Danach ein London Pride und Fish’n’Chips.
Yammi!
Ein Besuch im Anchor Inn ist quasi Pflicht ;-) |
Es ist 1400 und wir werfen die Leinen an Bord und legen ab. Wir
nähern uns den Needles, Felsformationen im Westen der Isle of Wight. Ein toller
Leuchtturm ziert diese Felsen, starker Strom schiebt uns an und wir erreichen
über neun Knoten Fahrt.
Hollander unter Segel - we love it :-) |
Plötzlich wie aus dem Nichts schwebt ein Hubschrauber über
uns – erst einer, dann zwei, dann kommen noch drei weitere hinzu. Ein Frachter
in der Ferne ist das nächste Ziel. Es wirkt, als würden diese Hubschrauber den
Frachter einnehmen wollen. Immer wieder schweben sie nur wenige Meter über dem
Frachter und fliegen dann wieder in weiten Kreisen um unsere Hollander umher. Anscheinend
eine Übung. Tieffliegen und Schwebeflug. Als wir weiterfahren, sehen wir in der
Ferne, dass sie noch einige Zeit den Frachter begleiten und danach wieder
abziehen. Jaja, war es eine geheime Mission im Land der Briten? Hatte da wohl
007 seine Hand im Spiel? Wir kommen auf jeden Fall mit friedlicher Absicht und
auch wenn es ein wenig bedrohlich wirkt, wenn Menschen mit Maschinengewehren
bewaffnet aus dem Hubschrauber auf das Schiff hinunter schauen, können wir mit
gutem Gewissen freundlich winken und dem Spektakel zusehen.
Wir segeln in einen wunderschönen Sonnenuntergang und sind
unserer Zeit schon rund zwei Stunden voraus, da uns der Strom in vollen Zügen
in die richtige Richtung geschoben hat. Zwei Möwen begleiten uns einen kurzen
Teil der Strecke und ich winke ihnen dankbar zu, als sie ihr Geschäft nicht auf
unserem Schiffsdeck, sondern knapp daneben im Flug erledigen…
vorbei am Anvil Point Richtung Portland Race, die Lyme Bay queren, vorbei am Start Point und dann ist man auch schon in Plymouth |
Es ist eine durchzogene Nacht, Wolken, dann wieder
sternenklar und wunderschön. Wir kommen uns unter dem unendlich riesigen
Sternenhimmel so klein vor. Weit und breit keine anderen Schiffe. Unser AIS
zeigt auch nichts an. Oder doch nicht? Plötzlich geht das Licht an, ein großes
Schiff steht auf einmal nicht allzu weit von unserer Backbordseite entfernt. Kurz
darauf landet ein Hubschrauber darauf. 007, ist deine Mission noch nicht
erfüllt? Ganz schön spannend. Aber es geht noch spannender! Kurz darauf taucht
neben uns ein schwarzer Fleck im Wasser, größer als Hollander auf. Es ist sehr wahrscheinlich
ein Finnwal, wie wir nachher herausfinden, der ganz schön knapp vor unserem Bug
vorbei geschwommen und kurz danach auf der Backbordseite unseres Schiffes
wieder abgetaucht und davongeschwommen ist. Er verursachte ganz schön viel
Welle, denn die ölige See baute sich für drei Wellen ziemlich auf, Hollander
stampfte fest ins Wasser, die Wellen spritzten über das Deck und weg war er. Huch!
Aufregend! So nahe einem solchen Riesen in seinem Element in Freiheit zu
begegnen ist schon ein ganz tolles aber auch ehrfürchtiges Gefühl! Wir sind
sooo klein. Um uns sind sooo große Tiere, die uns erlauben in ihrer Welt „mitzuspielen“.
Wahnsinn. Unser Puls pocht noch einige Zeit laut in unseren Ohren nach. Im
Wasser neben dem Schiff schimmert fluoreszierender Plankton wie tausend Sterne
im Meer. Ein wunderschönes Naturschauspiel, dem ich stundenlang zusehen könnte.
Habe es dann auch in der folgenden Stunde so gemacht. Tausende und aber
tausende leuchtende Punkte im Meer. Und das Wissen, dass da Wale waren.
Manchmal ganz nah. Ich lege mich für eine Stunde aufs Ohr und Olaf übernimmt
das Steuer.
nach knapp 20 Stunden liegen die 130sm hinter uns |
vorbei an den ankernden Kriegsschiffen geht es Richung Hafen |
Wir fahren die ganze Nacht lang, bis wir am frühen Vormittag Plymouth ansteuern. Hier wird das Wort NAVY groß geschrieben, wir wundern uns, ob wir irgendetwas in den letzten Wochen verpasst haben. Irgendeine politische Wende, eine Kriegsansage oder sowas. Vor Plymouth stehen acht riesige Kriegsschiffe, kleine Speedboote mit Maschinengewehren zischen an uns vorbei zu den Riesen. Kurz wirkt es als wären wir mitten in der Filmkulisse von Pearl Harbour und wir fahren zwischen den besetzten Kriegsschiffen mit seinen Helikoptern am Deck vorbei, die betonnte Einfahrt nach Plymouth. Diesmal unterdrücke ich meinen Drang nach freundlichem Winken. Die wirken irgendwie nicht so freundlich. Eher bedrohlich. Auch wenn sie vielleicht in Frieden üben. Es fühlt sich komisch an, in unserer so beschützten Welt plötzlich vor Augen zu haben, dass es Menschen gibt, die jeden Tag „Krieg üben“. Und in diesem Fall sind es einige hunderte Menschen. Wir steuern die Marina Mayflower an, doch leider hat sie keinen Platz frei für ein Schiff unserer Größe. Also nochmal weiter, bis wir im Yachthafen Plymouth festmachen. Hier gibt es Duschen wie im schönsten Wellness Resort, so eine hätte ich auch gerne daheim! Und das habe ich mir bei den Marina Duschen noch nie gedacht…
Nun heißt es Bordtechnik
checken, Material besorgen, bunkern, verstauen und alles für den großen
Absprung Richtung Biskaya vorbereiten. Das Abenteuer wird jeden Tag
abenteuerreicher…
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